Der APGAR-Score

Der APGAR-Score

Falls ihr in irgendeiner Weise mal mit der Versorgung von Neugeborenen zu tun haben werdet, dann werdet ihr um den „APGAR“ nicht herumkommen. Ob ihr nun die Erstversorgung persönlich übernehmt, oder ein Neugeborenes im Verlauf im OP oder auf der Intensivstation betreut: Der APGAR Score ist DAS Tool um den Zustand und die Anpassung des Kindes kurz nach Geburt zu beurteilen, sodass jeder eine grobe Idee haben sollte, worum es hier geht. Wie immer: Tabellen und Merhilfen sind nicht verboten!

Geschichte

Der APGAR-Score wurde 1952 von Virginia APGAR entwickelt​1​. Nachdem Apgar feststellte, dass sie trotz Begabung in der damaligen männerzentrierten Chirurgie schlechte Karrierechancen hatte, folgte sie der Empfehlung Oldfather Whipples (Ja, DER Whipple!) und wechselte in die noch neue Fachrichtung der Anästhesiologie (wir kriegen sie alle, die guten Chirurgen …). Apgar wurde die Leitung der Anästhesieabteilung der Columbia University. Nachdem diese in ein eigenes Department umgewandelt wurde, wurde sie kurzerhand übergangen und ein Mann als Führung eingesetzt. Als späte Entschädigung ernannte man Virginia Apgar zur ersten Professorin für Anästhesiologie in den USA.

Sie stellte fest, dass viele Neugeborene schlecht versorgt wurden und vermutlich sogar unnötig verstarben. Es existierte schlicht keine Definition eines „normalen gesunden“ Neugeborenen. Anhand ihrer Beobachten legte sie fünf Kriterien zur Begutachtung fest​1​. Vor Veröffentlichung ihrer Entwicklung testete Sie ihr Scoringsystem an über 1000 Säuglingen. Dieser 1953 veröffentlichte Score wird noch heute regelhaft von Geburtshelfern genutzt. Sie hat Geschichte geschrieben.

Zum Schmunzeln: Auf die Frage, wieso sie niemals geheiratet habe, antwortete sie:

„Ich habe eben keinen Mann gefunden, der kochen kann.“.

(Auch wenn ich gerne mal einen Kaffee mit Virginia Apgar trinken würde und mich stundenlang mit Medizingeschichte befassen könnte gehen wir jetzt weiter – Wen die Geschichte von Virgina Apgar weiter interessiert sei „The Virginia Apgar Papers“ der National Library of Medicine ans Herz gelegt)

Der Score

In ihrem Scoringinstrument legte die Anästhesiologin die fünf Kriterien fest, die zur damaligen Zeit auch zur Überwachung in Narkose genutzt wurden: „Heart rate“, „Respiration“, „Muscle tone or activity“, „Reflex irritability“ und „Color“.

Pfff. Wir Mediziner lieben doch Akronyme. In dem Fall sogar: Backronyme.

Also ordnen wir den oben genannten Kriterien mal Buchstaben zu, sodass wir sie uns merken können: APGAR. Zu verdanken haben wir dieses Backronym Joseph Butterfield​2​, einem Mitarbeiter Apgars (He did it before it was cool!). Die Deutsche Übersetzung lautet wie folgt:

A – Atmung („Respiration“)
P – Puls („Heart rate“)
G – Grundtonus („Muscle tone or activity“)
A – Aussehen („Color“)
R – Reflexe („reflex irritability“)

Jeder dieser Punkte kann nun 0, 1 oder 2 Punkte erhalten – je nach Qualität. Als Minimum erhält man also 0, maximal 10 Punkte. Der APGAR wird Klassischerweise in Minute 1 und 5 (+ ggf. 10) erhoben. Wiederholung ist alle fünf Minuten ab einem Score von 7 angesagt​3​, sodass man eine Anpassung des Säuglings an die neuen Kreislaufverhältnisse beurteilen kann. Ein Wert zwischen 8-10 gilt hierbei als gesundes Neugeborenes​4,5​, bis 4 als „moderat abnormal“ (was das jetzt genau sein soll…) und darunter als „niedrig“ mit Anzeichen für eine schwere Erkrankung​5​.

PunkteAtmungPulsGrundtonusAusehenReflexe
0keineKeinenschlaffBlau, blass, grauKeine
1angestrengt, unregelmäßg< 100 / minleichte BeugungStamm rosigGrimmassieren
2schreit, regelmäßig> 100 / minAktive Bewegung d. ExtremitätenrosigSchreien, Husten, Nießen

Auch wenn es durchaus Kritik​6​ (Subjektivität einiger Kriterien, nur für termingerechte Säuglinge, verfälschte Erhebung der Parameter während der Neugeborenenreanimation) an diesem Score gibt: Es ist ein solides Werkzeug zur Ersteinschätzung Reifgeborener, ist leicht zu merken und sorgt durch seine Struktur sicherlich dafür, dass auch heute noch weniger schlechte Kinder „übersehen“ werden.

Ich persönlich erhebe diesen Score bei jedem Kind, an dessen Versorgung ich beteiligt bin – auch bei der hochelektiven Sectio. Besser einmal zu viel und Übung, als ein doch nicht so gutes Kind verpassen.

  1. 1.
    Apgar V. A Proposal for a New Method of Evaluation of the Newborn Infant. Anesthesia &amp; Analgesia. Published online January 1953:260???267. doi:10.1213/00000539-195301000-00041
  2. 2.
    David M, Ebert A. Berühmte Ärzte. Virginia Apgar (1909–1974) und der Apgar-Score. Geburtshilfe Frauenheilkd. Published online November 26, 2014:992-994. doi:10.1055/s-0034-1383255
  3. 3.
    Weiner GM, Zaichkin J, eds. Textbook of Neonatal Resuscitation. American Academy of PediatricsItasca, IL; 2021. doi:10.1542/9781610025256
  4. 4.
    Wirbelauer J, Speer C. Beurteilung des Neugeborenen und Reanimation. Die geburtshilfliche Anästhesie. Published online 2017:391-408. doi:10.1007/978-3-662-54375-7_17
  5. 5.
    Executive Summary. Obstetrics &amp; Gynecology. Published online April 2014:896-901. doi:10.1097/01.aog.0000445580.65983.d2
  6. 6.
    Watterberg KL, Aucott S, et al. The Apgar Score. Pediatrics. Published online October 1, 2015:819-822. doi:10.1542/peds.2015-2651

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